Die SPD-Fraktion hat an diesem Mittwoch im Mainzer Abgeordnetenhaus einen Fachdialog zu rechtsextremen Ideologen und Hintermännern, zu den sogenannten „Neuen Rechten“, abgehalten. Zu dieser eng vernetzten Sammelbewegung am rechten Rand zieht der SPD-Fraktionsvorsitzende Alexander Schweitzer in einer ersten Analyse folgende Schlüsse:
(1) Unter dem Label der sogenannten „Neuen Rechten“ bemühen sich ultrakonservative bis rechtsextreme Kreise, die öffentliche politische Debatte schrittweise und dauerhaft zu verändern, ja zu vergiften. Wie Wissenschaftler und Beobachter feststellen, unterscheiden sich einzelne Vertreter wie der selbsternannte Theoretiker Götz Kubitschek und sein Institut für Staatspolitik sowie Akteure wie die Zeitung „Junge Freiheit“ in einzelnen strategischen Annahmen. Allerdings beziehen all diese Kräfte ihr Weltbild und ihr politisches Programm aus dem Denken der sogenannten „Konservativen Revolution“ der Weimarer Zeit. Sie orientieren sich an dem Staatsrechtler Carl Schmitt und dem Autor Ernst Jünger. Sie streben im Kern eine anti-demokratische, autoritäre und ethnisch begründete Gesellschaftsordnung an, die mit dem Menschen- und Staatsbild des Grundgesetzes nichts zu tun hat. Sie lehnen offen den freiheitlichen Geist der Aufklärung ab. In ideologischer Hinsicht ist diese „Rechte“ nicht neu. Es wird das Gedankengut aufgewärmt, das in den 1920/1930er Jahren den ersten demokratischen Staat auf deutschem Boden von innen heraus bekämpft hat.
(2) Ungewöhnlich für „Rechte“ und damit neu an dieser Bewegung ist die Fokussierung auf strategische Fragen. Inspiriert von Vordenkern der französischen „Nouvelle Droite“ arbeiten die Akteure seit Jahrzehnten an einer Strategie, ihr antipluralistisches und antiaufklärerisches Staats- und Gesellschaftsbild in die Breite zu tragen. Sie arbeiten auf verschiedenen Ebenen und über verschiedene mediale Kanäle gezielt daran, Begriffe umzuprägen. Sie setzen auf neue Institute, Verlage und auf neue Aktionsformen im vorpolitischen Raum. Die AfD fungiert in weiten Teilen als der parlamentarische Arm der „Neuen Rechten“.
(3) Mit der Flüchtlingskrise der Jahre 2015/2016 haben die Akteure der „Neuen Rechten“ ihre Bemühungen intensiviert. Die hohe Zahl an Flüchtlingen wirkte als Katalysator. Es ist zu konstatieren, dass diese Bemühungen zum Teil auf fruchtbaren Boden gefallen sind. Für die Sozialwissenschaft, für Politik und Gesellschaft ist es zentral, die Bedrohung der offenen, pluralistischen Gesellschaft durch die „Neue Rechten“ zu erkennen. Dem von Götz Kubitschek propagierten „Kampf um den Einfluss auf die Köpfe“ müssen sich Demokratinnen und Demokraten entgegenstellen.
(4) Als Gegengift ist auch auf politische Bildungsarbeit zu setzen. Die Kirchen, Gewerkschaften und zivilgesellschaftliche Initiativen wie das Netzwerk für Demokratie und Courage weisen mit ihrer Arbeit den richtigen Weg. Sie helfen Schülerinnen und Schülern, rechte Argumentationsmuster und die oftmals verschleierten ideologischen Ziele zu erkennen. Sie unterstützen die jungen Menschen, dass diese auf der Basis eines klaren Bekenntnisses zu einer offenen und demokratischen Gesellschaft den „Neuen Rechten“ begegnen können.
Die SPD-Fraktion hatte im Mai eine erste Veranstaltung zu neuen rechten Phänomen veranstaltet, zu den sogenannten „Reichsbürgern“. Bei dem heutigen zweiten Teil der Veranstaltungsreihe „Neue Rechte Phänomene“ war Referent und Diskussionsteilnehmer einer der profiliertesten Kenner neu-rechter Strukturen in Deutschland, Professor Armin Pfahl-Traughber von der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung. Der rheinland-pfälzische Innenstaatssekretär Randolf Stich beleuchtete in einem Vortrag die Situation in Rheinland-Pfalz und erläuterte die Präventionsmaßnahmen des Landes gegen Rechtsextremismus. Martin Hünemann, Projektleiter des Netzwerks für Demokratie und Courage in Rheinland-Pfalz, referierte zu praktischer Bildungs- und Vernetzungsarbeit gegen rechtsextremes und neu-rechtes Gedankengut. Die Veranstaltung moderierte der Abgeordnete Michael Hüttner, Sprecher der SPD-Fraktion gegen Rechtsextremismus. Gastgeber und Diskussionsteilnehmer war der SPD-Fraktionsvorsitzende Alexander Schweitzer.