Im Spannungsfeld zwischen Artenschutz, wirtschaftlichen Interessen sowie Wohn- und Freizeitraum kommt es immer wieder zu sehr emotionalen Debatten – dies betrifft jüngst insbesondere die Diskussion rund um die Wiederansiedlung des Wolfes in Rheinland-Pfalz. Die Abgeordneten der SPD-Landtagsfraktion haben dazu vor allem in den vergangenen Wochen und Monaten zahlreiche Gespräche mit Betroffenen und Expert*innen geführt sowie Interessenslagen und Positionen beleuchtet. Dies mündete in der Fraktionssitzung am 19. Juli 2023 in einem Beschluss der SPD-Landtagsfraktion zu ihren Positionen zum Thema – zusammengefasst in diesem Positionspapier.
Grundsätzlich ist festzustellen, dass in der aktuellen Debatte die Differenz zwischen Sorge vor dem Wolf und Sorge um den Wolf bei Beteiligten und Betroffenen immer größer wird. Um eine Befriedung der Diskussion zu erreichen, braucht es eine Versachlichung der Debatte und der Frage, wie vieleundwelche Wölfe in unserer Kulturlandschaft hinnehmbar sind. Nötig ist eine vermittelnde Herangehensweise unter Anerkennung der gegebenen und sich stets wandelnden Realitäten im Land. Essenziell ist es, Standpunkte und Bedarfe aller Seiten anzuerkennen und in einem grundlegenden Diskurs mit allen Beteiligten zu praktikablen Lösungen zu kommen.
Die SPD-Landtagsfraktion legt in der Debatte um die Wiederansiedlung des Wolfes ein eindeutiges Bekenntnis zur Weidetierhaltung in Rheinland-Pfalz ab. Gleichzeitig bekennen wir uns zu Natur- und Artenschutz sowie biologischer Vielfalt im Land. Gleichwohl: Bundesweit hat die Zahl der vermissten, verletzten oder gerissenen Nutztiere 2022 laut Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes mit 4.366 einen Höchststand erreicht. Wir nehmen daher die existenziellen Sorgen und Ängste der Weidetierhalter*innen seit vielen Jahren sehr ernst. Weidetierhaltung hat eine herausragende Bedeutung für Natur- und Artenschutz sowie unsere Kulturlandschaft.
Weidetierprämie, Etablierung des Koordinationszentrums Luchs und Wolf (KLUWO) und Wolfsmanagementplan des Landes sind existierende wirkungsvolle Bausteine, um die Weidewirtschaft zu schützen und größtmögliche Koexistenz zwischen Landwirtschaft und Wolf zu gewährleisten. Gleichwohl bedarf es auf Grundlage der Erfahrungen auch in anderen Bundesländern und mit Blick auf die Entwicklung rund um die Wiederansiedlung des Wolfes einer Anpassung bzw. Erweiterung: Wir streben daher perspektivisch eine unbürokratischere und rechtssichere Regelung zur Wolfsentnahme an! Dafür ist eine eindeutige Definition notwendig, wann ein Wolf entnommen werden darf bzw. muss. Dabei sind folgende Grundsätze zu beachten:
- Ein Wolf muss entnommen werden können, wenn in der konkreten Betrachtung der Herdenschutz nicht mehr zumutbar oder praktizierbar ist, erlittene Schäden zu groß sind oder Gefahrensituationen für Menschen bestehen.
- Es braucht ein stringentes und transparentes Verfahren zur Entnahme, das sich durch einfache und schnelle Wege sowie feste Verantwortlichkeiten auszeichnet. Dazu kann auch die Aufnahme ins Jagdrecht beitragen. Wichtig ist, dass die letztendliche Entscheidung über die Entnahme nicht - wie in der Bayerischen Wolfsverordnung angelegt - auf die unterste Ebene delegiert wird.
Auf Grundlage dieser Positionierung werden wir mit verschiedenen Akteur*innen, Expert*innen und Betroffenen im Austausch bleiben und auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene verordnungs- und gesetzgeberische Änderungen anstreben. Dabei fordern wir den Bund unter anderem auf, den „günstigen Erhaltungszustand“ des Wolfes laut FFH-Richtlinie festzustellen. Uns ist als SPD-Fraktion bewusst, dass im Diskurs verschiedenste, teils widersprüchliche Interessen zu vereinen sind. Mit dem vorliegenden Positionspapier wollen wir dazu im Sinne einer realistischen und zeitgemäßen Lösung akuter und kommender Probleme in Rheinland-Pfalz beitragen.
Das Papier finden Sie hier zum Download.