„Kultur gehört in unseren Alltag“

Nach mehr als 20 Jahren im Landtag verabschiedet sich Manfred Geis aus der Landespolitik.

Vorwärts: 21 Jahre warst du Abgeordneter. Nun scheidest du aus dem Landtag aus: Was wird dir fehlen?

Manfred Geis: Die Vielfalt der Möglichkeiten und Kontakte, die mit dem Mandat verbunden sind. Aber auch, was die Stadt Mainz ausmacht.

Vor über 20 Jahren hast du im Landtag angefangen: Was war damals anders als heute?

Als ich 1998 Abgeordneter geworden bin, hatte ich ja schon eine lange politische Zeit hinter mir: Ich war seit 1980 Leitender Geschäftsführer des SPD-Bezirks Pfalz. Ich glaube, insgesamt war die Politik damals etwas weniger aufgeregt.

Wie meinst du das mit Blick auf die heutige Zeit?

Über die Vielfalt der Medien existieren jetzt viel mehr Möglichkeiten, Meinungen direkt zu bilden und mit ihnen Politik zu machen. Diese Möglichkeiten gab es damals nicht. Die Auseinandersetzung war damals sachlicher. An der aktuellen Entwickelung der SPD stört mich auch diese Selbstgefälligkeit, die damit einhergeht. Immer zu wissen, was andere falsch machen, ist sehr viel stärker geworden.

Dennoch blickst du hoffnungsvoll in die Zukunft. Warum?

Ich bin hoffnungsfroh, weil in den Bereichen, die mich interessieren, Kultur und Eine Welt-Politik, ich ganz viele engagierte Leute erleben. Ich kann mich dafür begeistern, wie engagiert etwa Lehrerinnen und Lehrer, Schülerinnen und Schüler bei dem Thema Fairer Handel sind, wozu ich ja meine letzte Veranstaltung im Landtag gemacht habe. Ich habe nur ein bisschen die Sorge, dass wir als SPD diese Menschen nicht angemessen genug wahrnehmen. Wir müssen verstärkt auf diese Alltags-, Arbeits- und Engagements-Ebene der Menschen blicken.

Du hast wie kaum ein anderer dafür gesorgt, dass die SPD mit Kultur verbunden wird. Weshalb hast du dich hier so stark eingebracht?

Aus dem Bewusstsein heraus, dass für mich Kultur selbst so eine starke Bedeutung hat. Ich komme aus einem Elternhaus, in dem Kunst und Kultur keine Rolle gespielt haben. Ich habe dann Kulturelles durch verschiedene Impulse von außen als unheimlich bereichernd für mich empfunden. Mir ist gerade auch in dem Bereich sehr wichtig, zu vernetzen und Menschen zusammen zu bringen. Dass Menschen sich zusammen etwas anzugucken. Kultur ist keine individuelle Sache.

Du hast das Abgeordnetenhaus zum Ausstellungs-Ort gemacht. 99-mal gab es „Kunst im Abgeordnetenhaus“. Warum gerade dieser Ort?

Der Ort ist ein ungewöhnlicher, und das ist gerade reizvoll: Es gab die Möglichkeit, Kunst genau dort zu erleben, wo sie sonst nicht stattfindet. Überdies: Die Atmosphäre hier war für viele fast schon vertraut. Ich denke, Kultur gehört in unseren Alltag. Kultur ist nichts für eine abgegrenzte Gruppe, sondern für alle. Und als SPD müssen wir uns auch mit denen austauschen, die wir normalerweise nicht erreichen.

Wirst du weiterhin Ausstellungen ausrichten?

Natürlich. Ich werde zum Beispiel im Herbst wieder eine Ausstellung in Mainz in der Wissenschaftlichen Stadtbibliothek organisieren. Sie heißt „Seitenweise Kunst“ mit Werken, die im weitesten Sinne Buchkunst betreffen. Es wird weitere Möglichkeiten geben, Ausstellungen zu machen, und die werde ich nutzen.

 

Das Interview erschien erstmals im vorwärts RLP, Ausgabe 03/2019.