Neues Gesicht in der SPD-Fraktion

Interview mit Dr. Katrin Rehak-Nitsche

Seit dem 1. Mai 2018 ist Dr. Katrin Rehak-Nitsche SPD-Abgeordnete für den Kreis Germersheim. Im Interview erzählt sie über ihren Seitenwechsel in die Politik, ihren Alltag als Abgeordnete und das Zukunftsthema Weiterbildung. 

Plötzlich Abgeordnete: Am 1. Mai hast du Barbara Schleicher-Rothmund als Abgeordnete für den Wahlkreis Germersheim abgelöst. Wie hast du die ersten Wochen als Landtagsabgeordnete erlebt? Was hat dich überrascht?

Katrin Rehak-Nitsche: Die ersten Tage waren geprägt von viel Organisationsarbeit. Mein Büro in Mainz musste bezogen, Computer und Arbeitsplatz eingerichtet, sowie Mitarbeiter eingestellt werden. Beeindruckend finde ich, dass in meiner Fraktion im Landtag die unterschiedlichsten Charaktere aufeinander treffen, von denen Jeder und Jede das Leben der Menschen in seinem Wahlkreis ein Stück weit besser machen möchte.

Barbara Schleicher-Rothmund gehörte 17 Jahre dem rheinland-pfälzischen Landtag an. Als Bürgerbeauftragte wirkt sie nun weiter für die Rheinland-Pfälzerinnen und Rheinland-Pfälzer. Welchen Tipp hat sie dir mit auf den Weg gegeben?

Wir haben uns viel unterhalten und lange zusammengesessen. Ich habe sie natürlich ausgefragt und sie hat mir einiges mit auf den Weg gegeben. Zum Beispiel hat sie mir ganz begeistert von der Arbeit im Petitionsausschuss erzählt, auf den ich mich freuen könne und der uns beide künftig weiter verbinden wird. Dass man sich im Petitionsausschuss direkt mit den Anliegen der Bürgerinnen und Bürger beschäftigt und ganz konkret einzelnen Bürgerinnen und Bürgern helfen kann, finde ich sehr motivierend. 

Wie sieht dein Alltag als Abgeordnete aus?

Jeder Tag ist anders (lacht). Als Landtagsabgeordnete pendele ich immer zwischen meinem Wahlkreis Germersheim und dem Mainzer Landtag. Ein Großteil meiner Arbeit spielt sich in Mainz ab. Unglaublich viel Freude bereitet es mir aber auch, mit den Menschen vor Ort zu reden – in meiner Bürgersprechstunde oder auch bei Terminen im Wahlkreis. Durch die Arbeit an zwei Standorten lerne ich viele verschiedene Perspektiven kennen, die ich als Abgeordnete miteinander verbinden darf.

Du bist vor fünf Jahren in die SPD eingetreten. Warum hast du dich für die SPD entschieden?

Ich habe einen klaren inneren Kompass. Ich stehe für eine solidarische Gesellschaft, in der Menschen miteinander gut umgehen und füreinander einstehen. Ich bin zutiefst überzeugt davon, dass jeder Mensch es verdient hat, seinen Platz im Leben zu finden. Und ich finde, die SPD ist die Partei, die am besten dazu passt.

Was hat dich schließlich dazu motiviert, selbst Politik zu machen?

Ich komme ursprünglich aus Berlin, habe mich dort allerdings weniger politisch, aber viel gesellschaftlich engagiert. Die Berliner Politik habe ich immer als weit weg von den Menschen empfunden. Als ich dann allerdings in die Südpfalz gezogen bin, habe ich gemerkt, dass die Politik extrem nah an den Menschen sein kann. Politik bedeutet hier, den Alltag der Menschen konkret zu gestalten, zum Beispiel durch die Mitarbeit im Ortsbeirat. Das gefällt mir!

Als Protokoll-Assistentin im deutschen Bundestag hast du bereits früh Einblicke in politische Prozesse bekommen. Was hast Du in dieser Zeit über Politik gelernt und wie hat sich dein Bild seitdem verändert?

Ich habe mein freiwilliges ökologisches Jahr an einem Forschungsinstitut gemacht und war mir hinterher sicher, dass ich nichts mit Wissenschaft zu tun haben will. Trotzdem bin ich Wissenschaftlerin geworden. Mit dem Bundestag war das dann so ähnlich. Politik war für mich etwas, das andere machen. Jetzt bin ich allerdings selbst Politikerin geworden. Mit der Zeit habe ich gelernt, dass in unserer Demokratie Politik die beste Möglichkeit bietet, unsere Gesellschaft aktiv gestalten zu können.

Für die Robert Bosch Stiftung in Stuttgart hast du zuletzt den Bereich Wissenschaft und Forschung verantwortet. Im Landtag wirst du nun unter anderem im Wissenschaftsausschuss mitarbeiten. Welche Erfahrungen möchtest du in die parlamentarische Arbeit einbringen?

Während meiner Tätigkeit für die Robert-Bosch-Stiftung habe ich mich sehr stark mit Themen wie Nachhaltigkeit und gemeinwohlorientierter Wissenschaft beschäftigt. Diese Perspektiven möchte ich gerne auch als Landtagsabgeordnete einbringen. So sollte das Thema Nachhaltigkeit neben der internationalen Dimension auch auf der Landes- und Kommunalebene verfolgt werden. Überdies möchte ich gerne einbringen, dass Wissenschaft den Anspruch haben sollte, ganz nah an den Menschen, mit den Menschen und für die Menschen zu arbeiten.

Viele Menschen sind verunsichert, ob sie in der Arbeitswelt der Zukunft noch mithalten können. Als weiterbildungspolitische Sprecherin wirst du für die SPD-Fraktion das Zukunftsthema Weiterbildung im Blick haben. Wie kann es gelingen, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer fit für die Arbeitswelt von Morgen zu machen?

Für mich ist die zentrale Frage: Wie wollen wir in Zukunft arbeiten und leben? Wir sprechen immer zu passiv über Digitalisierung, als würde diese über uns hereinbrechen und als seien wir ihr schutzlos ausgeliefert. Es ist ja nicht so, dass die Digitalisierung plötzlich über uns kommt, sondern sie wird durch den Menschen vorangetrieben.

Das heißt?

Wir müssen diskutieren, wie wir es schaffen können, dass jeder Mensch seinen Platz in einer digitalisierten Welt findet. Lebenslanges Lernen oder Weiterbildung sind in diesem Zusammenhang extrem wichtig. Weiterbildung ist der Schlüssel zu gesellschaftlicher Teilhabe, jetzt und in Zukunft. Dabei ist es mir wichtig, dass die Art, was und wie wir arbeiten sich nach den Bedürfnissen der Menschen richtet und nicht ausschließlich an den Anforderungen der Wirtschaft orientiert ist.

Über die Politik gibt es ja viele Vorurteile und Klischees. Fragt man Bürgerinnen und Bürger, welchen Berufsgruppen sie vertrauen, schneiden Politikerinnen und Politiker meist eher bescheiden ab. Warum hat Politik ein so schlechtes Image und was können Landtagsabgeordnete dagegen tun?

Pauschalisierung ist immer ein großes Problem! Politiker sind auch nur Menschen; manche machen ihren Job gut, andere weniger. Wenn man mit einem Bäcker schlechte Erfahrungen gemacht hat, verzichtet man ja auch nicht auf frische Brötchen, sondern probiert einen anderen Bäcker aus. Jeder Bürger muss sich fragen: Welchem Politiker vertraut man? Wer verfolgt die Interessen, die mir wichtig sind? Aber auch die Politik muss noch ein bisschen besser werden. Damit das Vertrauen in die Politik wieder gestärkt wird, sollten Politiker transparent arbeiten und der Bevölkerung immer wieder zeigen, wie Politik funktioniert.

Am 18. Mai, dem rheinland-pfälzischen Verfassungstag, hat der Landtag jüngst 100 Jahre Frauenwahlrecht in Rheinland-Pfalz gefeiert. Schaut man in die Reihen der Abgeordneten im Plenarsaal ist nur ungefähr jeder dritte Parlamentarier eine Frau. Was muss passieren, damit mehr Frauen in die Politik gehen?

Frauen sollten in einer männlich geprägten Politikkultur ihre Ziele und Anliegen selbstbewusst vertreten. Politik ist zudem ein sehr zeitintensiver Beruf. Für Frauen ist es oft schwer, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen. Daran müssen wir arbeiten. Man sollte aktiv auf junge Frauen zugehen und ihnen Wege aufzeigen, wie sie sich im politischen Bereich engagieren können. Meine Erfahrung zeigt: Wenn junge Frauen erst einmal den Schritt in das politische Engagement gegangen sind, sind diese mit unglaublichem Eifer und Herz bei der Sache.

Was rätst du jungen Frauen, die sich gerne politische engagieren möchten oder vielleicht sogar ein Amt oder Mandat anstreben?

Es ist wichtig, dass man sich bewusst ist, welche Ziele man persönlich verfolgt. Im Idealfall sind diese nicht statusorientiert sondern inhaltlich. Es braucht ein Thema, für das es sich einzusetzen lohnt und das einen trägt. Der wichtigste Rat, den ich jungen Menschen und insbesondere jungen Frauen mit auf den Weg gebe: fragen, Dinge einfordern, hartnäckig sein. Natürlich bekommt man auch einmal ein Nein als Antwort. Allerdings: Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.

Vor fünf Jahren hat es Dich und Deine Familie in die Südpfalz gezogen. Was magst du an deiner neuen Heimat, dem Wahlkreis Germersheim, am meisten?

Ich schätze die Menschen dort sehr. Die Menschen sind sehr offen und herzlich. „Leben und leben lassen“ ist die Mentalität der Südpfälzer. Ich war unheimlich beeindruckt, wie schnell und herzlich ich dort aufgenommen wurde. Die Lebensqualität in der Südpfalz ist sehr hoch. Die Region ist wirtschaftlich gut aufgestellt, verfügt über eine unfassbar tolle Natur mit dem Rhein, den Weinbergen und weitläufigen Landschaften - und mit einem Sprung kann man Frankreich einen Besuch abstatten.

Vielen Dank für das Gespräch!

Sehr gerne!

 

Das Gespräch führte Clemens Traub (FSJ Politik).